Chichester, 20. Juni 1999
18 Ferrari beim siebten Festival of Speed
Vom 625 F1 zum 333 SP
Zwei Autos von Chris Amon
50 Jahre Nachkriegs-Le Mans
Zahlreiche Ferrari-Veteranen gingen fremd
Kann es der Earl im Jahr 2000 noch besser machen?
18 Ferrari beim siebten Festival of Speed
Die britischste aller automobilen Großveranstaltungen hat auch bei ihrer
siebten Auflage nichts von ihrer Faszination eingebüßt. Wenn Charles, der
Earl of March an Kinrara, ins südenglische Goodwood ruft, kommen alle
gern – die Weltelite des Motorsports, die Besitzer legendärer Rennwagen
und Zehntausende von Zuschauern. Obwohl sich die sportliche Bedeutung
des Festival of Speed in Grenzen hält, fanden sich 1999 insgesamt 18
Ferrari ein, um die 1,867 Kilometer lange Bergrennstrecke zu erklimmen.
Bei der Jagd nach der Bestzeit spielte allerdings keiner von ihnen eine
Rolle, zumal der modernste Ferrari, ein 333 SP (#001), unbeweglich im
Paddock stehen blieb. Schnellster Ferrari-Pilot war Rick Hall, der mit dem
312 B (#003) aus der Donington Collection 56,33 Sekunden benötigte.
Schnellster des Wochenendes war McLaren-Testfahrer Nick Heidfeld, der
mit dem weltmeisterlichen McLaren-Mercedes MP 4/13 aus dem Vorjahr
nur 41,6 Sekunden benötigte und damit einen von Jonathan Palmer vor drei
Jahren aufgestellten Rekord unterbot.
Vom 625 F1 zum 333 SP
Der älteste Ferrari des Festivals war ein 625 F1 (#0540), der 1955 an
Alfonso de Portago verkauft worden war, der ihn bei zahlreichen Grand Prix
ohne Meisterschaftsstatus einsetzte. Schon seit 40 Jahren haftete diesem
Wagen hartnäckig der Ruf an, der Siegerwagen des denkwürdigen Grand
Prix von Monaco 1955 zu sein, wofür es allerdings keinen Beweis gibt.
Im Fahrerlager standen drei Generationen der erfolgreichen
Renn-Berlinetta mit Gioachino Colombos V12 und drei Litern Hubraum
einträchtig nebeneinander: Wie in den Vorjahren, war Paul Vestey mit
seinem 250 GT (#0607GT) erschienen, der nicht irgendein "Tour de
France" ist, sondern genau jenes Exemplar, das mit seinem Sieg bei der
französischen Rundfahrt 1957 für den Beinamen dieses Ferraris sorgte.
Daneben stand der 250 GT SWB (#2689GT) von Michael Cowdray, der
1961 Dritter und Klassensieger in Le Mans wurde. Ein alter Bekannter in
Goodwood wurde ein Jahr später Dritter in Le Mans, belegte allerdings nur
den zweiten Platz seiner Klasse: der 250 GTO (#3757GT) von Pink
Floyd-Drummer Nick Mason, der an diesem Wochenende von dessen
Gattin Annette politiert wurde.
Zwei Autos von Chris Amon
Der Dino 246 Tasman (#0010) von Sally und Dudley Mason-Styrron und ein
frisch rekonstruierter 312 F1 (#0019), gefahren von Paul Osborn, von
repräsentierten Ferraris Monoposti der 60er Jahre. Beide wurden damals
von Chris Amon gefahren, aber während der eine sehr erfolgreich war (mit
ihm holte der Neuseeländer 1969 die Tasman-Meisterschaft) schrieb der
andere eines der unrühmlichsten Kapitel der Ferrari-Historie. 1969 holte
die Scuderia in der Konstrukteurs-Meisterschaft ganze sieben Punkte.
50 Jahre Nachkriegs-Le Mans
Zwei große Themen bestimmten 1999 das Festival of Speed und belegten
den Platz vor der Säulenfassade von Goodwood House: Thema Nummer 1
war die bayrische Marke Audi samt ihrer sächsischen Wurzeln, und Thema
Nummer 2 waren die 24 Stunden von Le Mans. Beim ersten
Nachkriegsrennen an der Sarthe siegte vor genau 50 Jahren erstmals ein
Ferrari, der von Luigi Chinetti gefahren worden war. Leider fehlte der
seinerzeit siegreiche 166 MM in Goodwood, aber dafür waren zwei originale
Siegerwagen der acht späteren Erfolge zugegen: Paul Frère steuerte den
250 TR 60 (#0774TR), mit dem er 1960 gewann, und Phil Hill den letzten Le
Mans-Sieger mit Frontmotor, den 330 TRI (#0808) aus 1962. Frère und Hill
wurden übrigens bei ihren Siegen vom 1998 verstorbenen Olivier
Gendebien unterstützt.
Der Siegerwagen aus 1960 gehört Paul Pappalardo aus Florida und ist
Stammgast bei historischen Renn-Veranstaltungen. Beim 62er Sieger
verhält es sich etwas anders: Er ist Bestandteil des Collection Mas du Clos,
und für den Veranstalter ist es wahrhaft eine Auszeichnung, wenn Pierre
Bardinon, Besitzer dieser Sammlung, eines seiner Schmuckstücke zur
Verfügung stellt.
Zahlreiche Ferrari-Veteranen gingen fremd
Unter den zahlreichen Le Mans-Siegern und anderen prominenten Fahrern,
die nach Goodwood gekommen waren, hatten viele zu ihrer aktiven Zeit
einen Ferrari bewegt. Aber seien wir ehrlich – wer hatte das eigentlich
nicht? Tony Brooks, Stirling Moss, John Surtees, Derek Bell, Jacky Ickx,
René Arnoux – die Liste ließe sich noch fortsetzen.
Patrick Tambay und Michele Alboreto waren indes standesgemäß
motorisiert: Tambay fuhr den 126 C2B s/n 065, mit dem er 1983 seinen
mittlerweile legendären Sieg in Imola feierte – der übrigens bis zu
Schumachers Sieg in diesem Jahr er letzte Ferrari-Triumph an dieser Stelle
blieb.
Der 156-85 F1 s/n 082, den Michele Alboreto in Goodwood fuhr, glich dem
Wagen, mit dem er 1985 Vize-Weltmeister wurde, bis aufs Haar. Es
handelte sich jedoch um das Einsatzauto seines Teamkollegen Stefan
Johansson. Der Italiener und der Schwede scheinen auch eineinhalb
Jahrzehnte nach ihrer gemeinsamen Zeit bei Ferrari nicht voneinander
loszukommen: In diesem Jahr waren sie Teamkollegen in der Le
Mans-Equipe von Audi.
Kann es der Earl im Jahr 2000 noch besser machen?
Nach soviel hochkarätigem Altmetall und den zahlreichen Stars, die
Autogrammjäger das ganze Wochenende über in Atem hielten (und
umgekehrt übrigens) bleibt abzuwarten, was sich der Earl of March für das
Festival of Speed des Jahres 2000 einfallen läßt. Das Starterfeld dieses
Jahres dürfte sich nur schwer überbieten lassen. Aber schließlich hat der
britische Adlige auch bisher einen unermüdlichen Erfindungsreichtum an
den Tag gelegt.
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